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Aus Mitteilungen der Westdt. Gesellschaft für Familienkunde 1935.

The following text has been transcribed from the document “Die Stammeltern des reformierten Geschlechts Nierstrasz in Eschweiler” by Heinrich Müllers, Frankfurt Main. Thanks to Kurt Nacken for the source material.

NB: Below follows the German transcription, which has also been translated to English.

All efforts have been made to transcribe the text as faithfully as possible from the original (in Old German font). I would nevertheless be grateful for any corrections. Note various spellings: Nierstraß, Nierstras, Nierstrat, Nierstraed. Similarly: Leonhardt, Leonhard etc. As the text explains, the original sources conflict concerning not only the spelling but the actual names of those concerned.

The “infinity symbol” (used to indicate marriage events) is transcribed here as a percent sign (“∞”). I assume that * indicates a birth date, and (*) a baptism.


Die Stammeltern des reformierten Geschlechts Nierstrasz in Eschweiler

Von Heinrich Müllers, Frankfurt Main

1.

Eine Stammliste der bisher bekannten drei ältesten Generationen, zusammengestellt „nach den Kirchenbüchern in Eschweiler und alten Nierstraßichen Aufzeichnungen“, teilte mir Frl. Dr. Rübens in Rodenkirchen bei Köln wie folgt mit:

I. Leonhardt Nierstraß

reformiert; * ….., † ….. (vor 1650), Färbereibesitzer zu Eschweiler.

Kinder, zu Eschweiler geboren und ebend (ref.) getauft:

  1. Johannes (*) 1. 1. 1622, s. IIa.
  2. Isaak (*) 27. 4. 1627, s. IIb.
  3. Abraham (*) 26. 3. 1631, s. IIc.
  4. Elisabeth (*) 22. 2. 1634.

IIa. Johannes Nierstraß (*)

Eschweiler (ref.) 1. 1. 1622, † ….. 15. 8. 1705. ∞ ….. Catharina Thüren.

Kinder:

  1. Isaak * ….. † ….. ∞ ….. 5. 12. 1697 Maria Heretz.
  2. Abraham * ….. † ….. ∞ ….. 1. 4. 1750 [actually 1700, see below] Maria Eschenbrücher.

IIb. Isaak Nierstraß (*)

Eschweiler (ref.) 27. 4. 1627, † ….. ∞ ….. 9. 5. 1650 Katharina Horden.

Kinder:

  1. Theodor * ….. † ….. ∞ ….. 2. 5. 1678 Susanna Holzmacher (4 Kinder).
  2. Maria * ….. † ….. ∞ ….. 1678 Theodor Peltzer in der Girdau.

IIc. Abraham Nierstraß (*)

Eschweiler (ref.) 26. 3. 1631, † Eschweiler 20. 11. 1721, Färbereibesitzer. ∞ I ….. 10. 8. 1659 Anna Bündtgens, * ….. † ….. 29. 3. 1674, Tochter der Eheleute Johannes Bündtgens und ….. ∞ II ….. 27. 10. 1674 (?) Maria Blanche, * ….. 24. 8. 1632, † ….. Tochter der Eheleute Johann Leonhard de Blanche und Mechtilde [actually Katharina, see 3. below] Düppengießer (∞ 25. 2. 1630).

Kinder 1. Ehe, zu Eschweiler geboren:

  1. Johannes * 30. 5. 1660, † ….. ∞ ….. Arnolda Barbara Lynen (6 Kinder).
  2. Elisabeth * 15. 10. 1661, † …..
  3. Leonard * 19. 1. 1664, † ….. 7. 10. 1669.
  4. Isaak * 28. 10. 1666, † ….. 28. 4. 1668.
  5. Isaak * 16. 8. 1668.
  6. Jakob * 22. 2. 1670, † Köln 10. 10. 1751, ∞ ….. 7. 3. 1698 Johanna Katharina Schommartz (9 Kinder).
  7. Leonhard * 22. 1. 1671, † ….. 20. 4. 1769, verzog nach Maastricht, noch jetzt Nachkommen. ∞ Eschweiler 13. 4. 1713 Agneta Holtz.
  8. Anna Maria * 9. 1. 1674.

Kinder 2. Ehe, zu Eschweiler geboren:

  1. Abraham * 16.10. 1675 (Taufzeugen: Schwager Stefan Blanche, Neef Schimmerts und Schwester Megtell), † Köln 6. 1. 1765, ∞ ….. 1706 Maria Mintha Herstatt (10 Kinder).
  2. Jan Godfried * 20. 4. 1678 (Taufzeugen: Neef Diedrich Peltzer und Godfried Recklinghaufen und Nicht Maria Nierstraß); † Köln ….. 1746, Droguist, ∞ ….. 28. 1. 1708 Susanne Blanche.
  3. Catharina * 21. 11. 1679 (Taufzeugen: Neef Caspar Steffens, Schwester Catharina Nierstraß und Schwester Catharina (H?)önen), † ….. 19. 3. 1681.

Hierzu wären zunächst einige Berichtigungen anzumerken: Abraham Nierstraß, der Sohn des Johannes (IIa, 2), heiratete nicht 1750 (das wäre nicht gut möglich!), sondern 1700, am 5. Dezember (vgl. H. F. Macco, Beiträge zur Genealogie rheinischer Adels- und Patrizierfamilien, Bd. III: Geschichte und Genealogie der Familien Peltzer, S. 149). Vielleicht liegt auch bei dem angeblich am 22. 1. 1671 geborenen (oder getauften?) Leonhard Nierstraß, Sohn des Abraham (IIc, 7) ein Irrtum vor, daß er nämlich nicht 1671, sondern 1672 geboren sei. Denn das würde viel besser passen zu der Tatsache, daß sein Schwester Anna Maria aber am 9. 1. 1674 geboren war. [unclear why this should be so …]

2.

Auch das angebliche Geburtsdatum der Maria Blanche (zweite Ehefrau von Abraham Nierstraß) dürfte nicht stimmen. Denn diese soll am 24. 8. 1632 als Tochter der am 25. 2. 1630 heiratenden Eheleute Johann Leonhard de Blanche und Mechtild Düppengießer geboren sein. Nun heißt es bei Macco (a.a. O., S. 75, Anm.): „Hans Leonard de Blanche, Sohn von Stefan de Blanche in Aachen, vermählte sich in erster Ehe am 25. Februar 1630 mit Katharina Düppengießer, Tochter des Gotthard Düppengießer in Aachen, mit der er vier Kinder zeugte:

  1. Mechtildis, (*) zu Aachen am 24. August 1632.
  2. Gottfried, (*) zu Aachen am 22. Dezember 1634.
  3. Stefan, (*) zu Aachen 6. Mai 1637.
  4. Katharina, (*) zu Aachen im August 1640, ∞ am 24. Nov. 1661 mit Hermann Hoen.“

Daraus ergibt sich zunächst, daß der 24. August 1632 der Tauf-, nicht der Geburtstag war. Dann aber wurde an diesem Tage nicht eine Tochter Maria, sondern eine Mechtildis getauft! Die Frau des Abraham Nierstraß hieß aber unzweifelhaft Maria, wie folgende Bekundung im Traubuch der reformierten Gemeinde Mülheim Rhein (deren Kenntnis ich einer frdl. Mitteilung von Dr. jur. O. Merckens, Berlin-Charlottenburg, verdanke) belegt: 28. 1. 1708 „Jan Godfr. Nierstraß, Abraham N. und Maria Blanche ehelicher Sohn, mit Susanna Blanche, Tochter von Abraham Bl. und Maria Seitzerau“. Dann kann aber die 1632 getaufte Mechtilde nicht die spätere Frau des Abraham Nierstraß gewesen sein, weil die letzere ja nachweislich Maria hieß und weil bei deren ältestem (1675 geboren) Kind eine „Schwester Megtell“ als Patin auftritt, die niemand anderes gewesen sein kann, als die 1932 getaufte Schwester der Maria. Wann ist denn nun aber Maria geboren? Denn unter den oben mitgeteilten 4 Kindern de Blanche fehlt ja eine Tochter namens Maria!

Angesichts der Regelmäßigkeit in der Aufeinanderfolge dieser 4 Kinder de Blanche kann Maria nicht zwischen 1632 und 1640, sondern muß entweder vorher oder nachher geboren sein. Da ihre Eltern im Februar 1630 die Ehe Schlossen, wäre es durchaus möglich, daß diesen im Nov./Dez. 1630 schon ein älteres (aber im Taufbuch vergessenes?) Kind geboren worden sei, das sich auch normal und mit nahezu zweijährigem Abstand nach oben hin an die Kinderreihe anschlösse. Sollte demnach Maria vor 1632 geboren sein, dann kann ihr ungefähres Geburtsdatum nur im Herbst 1630 angenommen werden. Eine weitere Möglichkeit gibt es nicht — es sei denn, daß Maria nach 1640 das Licht der welt erblickt hätte, weil sie sich in diesem Falle ebenso regelmäßig (aber nach unten hin) der Kinderreihe anfügen würde. Da jedoch Maria ihr jüngstes Kind im November 1679 zur Welt bringt, so wäre sie — falls sie tatsächlich im Herbst 1630 geboren wurde — damals 49 Jahre alt gewesen! Dies ist gerade keine Unmöglichkeit — meine Stiefgroßmutter wurde im Alter con 48 Jahren 7 Monaten von ihrem ersten Kinde entbunden! —, aber (weil ja die Geburtsfähigkeit der Frauen im allgemeinen spätestens mit 45 Jahren ihr natürliches Endes findet) ein so seltener Fall, daß man etwas ähnliches bei unserer Maria Blanche nicht annehmen möchte, wenigstens nicht ohne weitere Anhaltspunkte, etwa das Konfirmationsdatum der Maria. Somit kommen wir fast zwangläufig zu der Folgerung, daß Maria Blanche um 1642/43 geboren sein dürfte.

3.

Von einer ganz anderen Seite her erfährt dies Ergebnis eine wertvolle Bestätigung. Macco (Aachener Wappen und Genealogien Bd. I, S. 39) teilt nämlich (z. T. das oben schon Angeführte wiederholend) folgendes mit: „Junker Stefan de Blanche heiratete Mechtildis Engelbrecht in Aachen, wovon Hans Leonard v. Blanche, † am 12. Sept. 1662, welcher in 1. Ehe am 25. Februar 1630 Katharina Düppengießer, in 2. Ehe am 25. August 1652 Margarete Peltzer heiratete“. Als „Kinder, die sämtlich zu Aachen getauft“ seien, führt er dann die vier bereits genannten an, nur fügt er bei dem 1634 getauften Gottfried hinzu: „verheiratet zu Düren am 2. Februar 1659 Maria, Tochter von Johann Hupertz und Katharina Mewis.“ Daraus ergibt sich, daß Hans Leonhard de Blanche seiner ältesten Tochter und seinem zweiten Sohn die von seinen eigenen Eltern herrührenden beiden Leitnamen (Stefan und Mechtildis) gab. Das entsprich der strengen Form der Leitnamensitte. Dann wird man aber folgern dürfen, daß Hans Leonhard de Blanche seinem ältesten Sohn und seiner zweiten Tochter ebenso streng sittegemäß die von seinen Schwiegereltern herrührenden beiden Leitnamen als Vornamen gab. Da der Schwiegervater (nach Maccos Angabe) Gotthard Düppengießer hieß, können wir dies auch schon als zutreffend bestätigt finden; denn der älteste Sohn erhielt den Namen Gottfried, was gleichbedeutend mit Gotthard ist. Denn die Kirchenbuchschreiber übersetzten in jener Zeit den Dialektvornamen „Goert“ abwechselnd mit „Gotthard“ und „Gottfried” ins Schriftdeutsche. Daraus ist zu schließen, daß Gotthard bzw. Gottfried Düppengießer sich selbst stets „Goert“ nannte und nennen ließ, weil sonst nicht gut erklärbar wäre, daß sein Vorname einmal Gotthard und dann wieder Gottfried heißt. Dieser Wechsel in der schriftdeutschen Form des Names setzt unbedingt voraus, daß nicht der tatsächlich im Umgang gebrauchte Name, sondern eine „Übersetzung“ vorliegt. Nun teilt uns Macco (Beiträge III, S. 75) zwar den Namen des Schwiegervaters, aber nicht den der Schwiegermutter des Hans Leonhard de Blanche mit. Da aber, zu folgen ist, daß einmal diese Schwiegermutter Katharina geheißen haben dürfte und daß der eigentliche Vorname des Schwiegervaters Goert lautete, so können wir ein Ehepaar namens Goert Düppengießer und Catharina, das uns etwa 20 Jahre vor der Eheschließung de Blanche-Düppengießer (1630) aktenmäßig belegt wird, mit Sicherheit als Schwiegereltern des Hans Leonhard de Blanche ansprechen. Dies ist tatsächlich der Fall. Macco liefert uns auch hier wieder die erforderlichen Angaben (Aachener Wappen und Genealogien, II, S. 70): „Christoffel Pillera (Sohn der Eheleute Christoffel Pillera und Maria Auwercks), 1587-90 Diakon der Reform. Gemeinde in Aachen, ∞ Katharina Pluymacker aus Maastricht. Beide waren 1612 tot.

Kinder:

  • a) Katharina ∞ Goerd Düppengießer, Kaufmann in Metz (1614).
  • b) Arnold d. J. in Aachen und seine 1. Frau Sara verkauften am 22. November 1612 ….. mehrere Parzellen Ackerland zu Montenacken bei Maastricht.

Daß diese (schon 1614 verheirateten) Eheleute Goert Düppengießer und Katharina Pillera wirklich die Schwiegereltern des Hans Leonhard de Blanche gewesen sein müssen, wird durch folgende Beobachtung bestätigt: Da die Mutter von Katharina Pillera, Ehefrau Düppengießer, ebenfalls Katharina (Pluymacker) hieß, muß bei dem Ehepaar Düppengießer-Pillera eine älteste oder zweite, nach dieser Mutter (Pluymacker) genannte Tochter, Katharina leitnamensittegemäß erwartet werden. Das aber ist die spätere Ehefrau de Blanche, die ja tatsächlich Katharina hieß!

Damit aber steht fest, daß die Eheleute de Blanche-Düppengießer ihre vier (von Macco augezählten) Kinder streng nach der Leitnamensitte benannten. Das wäre aber nicht der Fall, wenn sie etwa einer ältesten (im Herbst 1630 als geboren angenommenen) Tochter den Vornamen Maria gegeben hätten! Demnach scheint die 1632 getaufte Mechtildis in Wirklichkeit gewesen zu sein, oder — wenn man gleichwohl mit der Möglichkeit eines im Herbst 1630 geborenen Kindes rechnen will — 1630 könnte nur ein frühverstorbenes Kind zur Welt gekommen sein, das (falls ein Sohn) Gottfried, oder (falls eine Tochter) Mechtildis geheißen haben müßte. Somit kann jetzt überhaupt kein Zweifel mehr daran bestehen, das Maria (de) Blanche, die zweite Ehefrau des Abraham Nierstraß, als Kind der Eheleute Stefan de Blanche und Katharina Düppengießer nur um 1642/43 geboren sein kann.

Einwendungen von Skeptikern, die etwa darauf verweisen sollten, daß Goert Düppengießer doch 1614 in Metz Kaufmann war und deshalb nicht ohne weiteres als Vater der Katharina Düppengießer, Ehefrau de Blanche zu Aachen, in Anspruch genommen werden könne, sind leicht durch den Hinweis darauf zu entkräften, daß ja die Frau des Goert Düppengießer eine Aachenerin war und er selbst erst infolge der 1614 erfolgten zweiten Ausweisung aller Protestanten aus Aachen nach Metz gekommen sein dürfte. Außerdem müssen sich aus den Namen der von Macco nicht mitgeteilten Taufpaten aller vier Kinder de Blanche-Düppengießer wertvolle Hinweise für die Zuverlässigkeit unserer genealogischen Einordnung ergeben. Wenn überhaupt noch Bedenken in dieser Beziehung bestehen, dann kann ihnen nur in der einzigen Richtung stattgegeben werden, daß etwa die Angaben von Macco nicht absolut zuverlässig seien. Da Macco nämlich mancherlei unrichtige, irreführende und ungenaue Dinge erzählt, so müssen natürlich auch diejenigen Mitteilungen von ihm, die aktenmäßig als richtig zu belegen sind, so lange in den Verdacht der Unzuverlässigkeit geraten, als sie nicht daraufhin nachgeprüft worden sind.

4.

Daß aber Maria Nierstraß geborene Blanche unzweifelhaft eine Tochter des Johann (Hans) Leonhard de Blanche war, ergibt sich daraus, daß bei ihren Kindern als Paten nicht nur „Schwager Stefan Blanche“ (der 1637 getaufte Sohn des Hans Leonhard!), sondern auch „Schwester Katharina Hönen“ auftreten. Diese letzterwähnte Patin kann nämlich niemand anderes sein, als die 1640 getaufte Katharina de Blanche (Tochter Hans Leonhards), die 1661 den Hermann Hoen (Hönen) heiratete. Außerdem gab Maria Nierstraß-de Blanche ihrer einzigen Tochter Katharina — streng sittegemäß — den von ihrer Mutter Catharina Düppengießer herrührenden Leitnamen. Wenn Maria keinem ihrer Söhne den von ihrem Vater stammenden Leitnamen Johann Leonhard „vererbt“, so ist das deshalb sehr begreiflich, weil ihr Ehemann Abraham Nierstraß ja aus seiner ersten Ehe schon einen Sohn des Namens Leonhard hatte. Aber wenigstens den ersten Vornamen ihres Vaters, Johann (Jan), bringt Maria bei ihrem zweiten Sohn unter, der außerdem als zweiten Vornamen noch denjenigen ihres (1659 heiratenden und inzwischen vielleicht schon verstorbenen Bruders Gottfried und damit einen typischen „nachgeholten Leitnamen“ erhält. Wenn nämlich in einer Generation ein echter Leitname durch frühen Tod seines Trägers wegfällt (oder wenn nicht so viel Söhne und Töchter geboren wurden, um alle vier von den Großeltern herrübrenden Leitnamen unterzubringen), dann wird ein derart ausgefallener echter Leitname von den Geschwistern seines Trägers bei ihren Kindern, also in der folgenden Generation, nachgeholt. Damit steht aber fest, daß in der Ehe Nierstraß-Blanche die Leitnamensitte wirksam war.

Ein gleiches ist der Fall in der ersten Ehe des Abraham Nierstraß mit Anna Bündtgens. Das erkennt man daran, daß Abraham seinem ältesten Sohn (Johannes) den Vornamen seines Schwiegervaters Johannes Bündtgens, seinem zweiten Sohn aber — und als dieser 1669 starb, auch seinem 1671 (oder 1672?) geborenen sechsten Sohn — den von seinem eigenen Vater Leonhard Nierstraß herrührenden Leitnamen Leonhard gab.

5.

Der 1622 getaufte älteste Sohn des Leonhard Nierstraß, Johannes (IIa), war Ende 1651 noch ledig, spätestens 1668 aber mit Tringen Thoren verheiratet, die (nach Dr. Rübens) in der Stammliste „Catharina Thüren“ heißt, was natürlich dasselbe ist. Beides geht aus zwei Einträgen in den „Gerichtsprotokollen Geilenkirchen“ (Staatsarchive Düsseldorf, Bd. 33 bzw. 34) hervor, deren Kenntnis ich Hernn Dr. jur. Otto Merckens, Berlin-Charlottenburg, verdanke, und die folgendermaßen lauten:

18.12.1651 „Johann Nierstrat von Eschweiler, ledig“ kauft Land zu Grotenrath.

7.10.1668 „Joannes Nierstraed in Eschweiler und Tringen Thoren uxor“ verkaufen all ihr Erb und Gut in und um Nierstraß gelegen, wie ihnen solches nach Absterben ihrer Eltern Johann Thoren und Mechtildis anerfallen, item ihren Erbanteil, so ihnen von ihrem Ohemen selig Thewis Thoren anerfallen“ für 85 ‘2 Rthlr. [?]

Demnach stammte Tringen Thoren aus dem Orte Nierstraß, gelegen in der Gemeinde Geilenkirchen zwischen Bauchem und Gillrath. Und die Familie ihres Ehemannes scheint auch ursprünglich dorther gekommen zu sein und demnach einen „Herkunftsnamen“ zu tragen. Darauf kommen wir nachher noch zurück. In einem Aufsatz „Nierstraßer Sprudel“(in „Heimatblätter“ 1933, Nr. 16. Beilage zu der Geilenkirchener Tageszeitung „Westdeutsche Grenzpost“) liest man über die Lage dieses Ortes: „Wer von Geilenkirchen über Bauchem in der Richtung Gillrath wandert, der wird links seitwärts einen stark abfallenden Hang bemerken, der teils mit Hochwald und Gebüsch bestanden, teils aber mit Wiesengründen bedeckt ist. Es ist nichts anderes als der Oberlauf des Rodebachtales. Im Grunde dieses Tälchens, an der Grenze zwischen Heide und Feld liegt die klein, aber recht urwüchsige Ortschaft zwischen ausgedehnten Obstwiesen und Weidengehegen versteckt.“

Nach dem Talweg, der durch diese Niederung führt und einen Bogen der Landstraße abschneidet, erhielt der Ort den Namen „niedere Straße“, im Dialekt „Nierstroot“, aus dem dann die heutige Form „Nierstraß“ entstand.

Da Johannes Nierstraß der Sohn des Leonhard, seine Frau aber eine Tochter der Eheleute Johann Thoren und Mechtild war, müssen wir leitnamensittegemäß unter den Kindern des Paares je einen Sohn names Leonhard und Johannes, sowie eine Tochter Mechtilde erwarten. Nach Dr. Rübens aber hatten die Eheleute Nierstraß-Thoren nur zwei Söhne: Isaak und Abraham. Demnach scheint es so, als ob in der Ehe Nierstraß-Thoren die Leitnamensitte nicht in Übung gewesen sei. Aber das scheint auch nur so. Denn einmal ist festzustellen, daß die beiden Söhne die Vornamen der beiden Brüder des Johan Nierstraß tragen. Und zum anderen kennen wir ja nur diese beiden Söhne des Paares, aber nicht mal ihre Geburts- bzw. Taufdaten. Es ist also durchaus mit der Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit zu rechnen, daß die Eheleute Nierstraß-Thoren noch mehr (vielleicht zum Teil frühverstorbene) Kinder hatten, die wir einstweilen nicht kennen, und bei denen die Leitnamensitte in Anwendung kam. Jedenfalls kann das scheinbare Nichtwirksamsein dieser Sitte bei den Kindern des Johannes Nierstraß kein Gegenargument darstellen gegen unsere Überzeugung, daß die leitnamensittegemäße Benennung der Kinder bei allen Söhnen des bisherigen Stammvaters Leonhard Nierstraß erfolgte.

6.

Bei den Kindern des Isaak Nierstraß (IIb) finden wir nämlich diese Sitte wieder voll in Kraft. Denn Catharina Horden, die Frau des Isaak Nierstraß, ist (nach Macco, Beiträge III. Peltzer, S. 140) durch ihre Heiratsurkunde als eine Tochter des Sittarder Predigers Theodor Hordenius bezeugt. Dieser starb aber schon im März 1613, folglich muß Catharina, seine Tochter, allerspätestens im Laufe des jahres 1613 geboren sein und war mithin bei ihrer Eheschließung (1650) mindestens 37 Jahre alt, also wenigstens 14 Jahre älter als ihr 1627 geborener Ehemann. Möglicher-, ja wahrscheinlicherweise war sie jedoch noch früher geboren und 1650 schon etwa 40 Jahre alt. Dann ist es aber wieder sehr begreiflich, daß sie nur zwei Kinder hatte, Theodor und Maria, die um 1651 und um 1653/54 geboren sein dürften. Denn diese Geburtsdaten würden ausgezeichnet zu den Heiratsdaten der beiden passen: Theodor vermählte sich am 2. 5. 1678 (wäre also 27 Jahre alt gewesen) und Maria muß — da ihr ältestes Kind am 16. 7. 1679 getauft wurde — spätestens Mitte Oktober 1678 mit ihrem Manne Theodor (Diedrich) Peltzer zum Traualtar geschritten sein: sie wäre dann etwa 24 bis 25 Jahre alt gewesen. Natürlich könnte der Fall auch umgekehrt liegen, daß et Maria um 1651 und Theodor um 1653/54 geboren wäre; das würde jedoch an der Sachlage nicht das Geringste ändern, daß Theodor der älteste (einzige) Sohn und Maria die älteste (einzige) Tochter des Isaak Nierstraß war. Nun trägt aber Theodor ganz unzweideutig den von seinem Großvater mütterlicherseits (Theodor Hordenius) herrührenden Leitnamen. Dann muß — entsprechend der strengsten Form der Leitnamensitte — aber gefolgert werden, daß Theodors Schwester Maria den von ihrer Großmutter väterlicherseits herrührenden Leitnamen trug. Mithin müßte die Mutter des Isaak Nierstraß, die wir einstweilen nicht kennen, Maria geheißen haben! Damit haben wir ein wichtiges Indiz gewonnen, auf das noch zurückzukommen sein wird.

Jedenfalls benannte dieser Theodor Nierstraß seine Kinder wieder streng gemäß der Leitnamensitte. Denn seine Frau war (nach Macco, Beiträge III, Peltzer, S. 149) eine Tochter der Eheleute Johannes Holzmacher und Johanna Jansen. Und die Eheleute Nierstraß-Holzmacher hatten (Macco a. a. O.) folgene Kinder:

  1. Isaak, (*) zu Aachen am 28. 1. 1679.
  2. Johanna Katharina, (*) zu Aachen am 8. 9. 1680, ∞ Aachen (ref.) 4. 7. 1713 Diederich (Theodor) Peltzer zur Girdau [?], * Stolberg 17. 12. 1684, Sohn der Eheleute Theodor Peltzer und Maria Nierstraß.
  3. Johannes, (*) zu Aachen am 5. 11. 1682.
  4. Helene, (*) zu Aachen am 17. 9. 1684.

Von diesen Kindern trug also der älteste Sohn den Vornamen seines Großvaters väterlicherseits, der zweite den seines Großvaters mütterlicherseits, die älteste Tochter die Vornamen ihrer beiden Großmütter (Johanna Jansen und Katharina Horden), und die jüngste Tochter führte wohl einen nachgeholten Leitnamen. (Vielleicht hieß die Mutter der Katharina Horden, deren Namen wir einstweilen nicht kennen, Helene?)

Desgleichen benannte auch Maria Nierstraß (∞ Theodor Peltzer) ihre Kinder genau entsprechend der Leitnamensitte, wie man bei Macco (a. a. O. S. 155) nachlesen kann. Angesichts all dieser ins Einzelne gehenden Feststellungen darf man aber füglich nicht mehr bezweifeln, daß die Leitnamensitte auch schon bei den ältesten bekannten Generationen der Nierstraß in Kraft und Übung war.

Theodor Peltzer, der selbst schon Witwer war, als er mit Maria Nierstraß den Bund fürs Leben schloß (Macco a. a. O. S. 154), muß übrigens der zweite Ehemann der Maria und diese somit auch schon Witwe gewesen sein. Im Erbbuch des Gerichts Geilenkirchen 1655 — 1675 (Staatsarch. Düssd., Bd. 34) findet man nämlich (fol. 400) folgenden Eintrag unterm 10. 11. 1681 [sic]: „Arnold Schommarts namens seines Schwiegervaters Isaac Nirstradt von Eschweiler als Bevollmächtigter“ verkauft einen Teil Baumgarten in Hünshoven. Dieser Arnold Schommarts war zweifellos der erste Ehegatte der Maria, und diese muß, da sie schon im November 1671 [sic] mit ihm verheiratet war, demnach das älteste, 1651 geborene, der beiden Kinder des Isaak Nierstraß gewesen sein. Arnold Schommarts wurde durch seine Ehe mit Maria ein angeheirateter Vetter von Abraham Nierstraß (IIc) und ist deshalb zweifellos mit jenem „Neef Schimmerts“ (Lesefehler für Schommerts!) identisch, der als Pate bei Abrahams ältestem Kind zweiter Ehe (IIc, 9) am 16. 10. 1675 auftritt. Er starb dann zwischen 1675 und 1678.

7.

Und nun lese man folgenden Auszug aus dem Traubuch der reformierten Gemeinde Randerath: „28. Octobris Av. 1619 ist Leonhardt Conen von Nerstradt undt Maria Fliegen von Eßwiller (copulirt worden).“ Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß wir in diesem Ehepaar die Stammeltern des Geschlechts Nierstraß vor uns haben; denn:

a) Die Frau stammt aus Eschweiler („Eßwiller“), und deshalb dürfte das Paar auch seit der Eheschließung dort gewohnt haben.

b) In Eschweiler ist als erster Vertreter des Namens Nierstraß nur jener Leonhard Nierstraß nachweisbar, der seit 1622 dort Kinder taufen läßt. Vorher gibt es den Familiennamen dort nicht. Also muß sein erster Träger von auswärts zugezogen sein.

c) Der Leonhard Nierstraß in Eschweiler war reformiert, dasselbe gilt von dem Randerather Bräutigem des Jahres 1619, denn sonst stände er nicht in einem reformierten Traubuch.

d) Der 1619 heiratende „Leonhardt Conen“, der aus Nierstraß (Nerstradt) stammte, konnte in Eschweiler auch den „Herkunftsnamen“ Nierstraß als Familiennamen bekommen. Denn offenbar hatte er bis dahin — da er ja in Randerath ein Patronym (Conen) als Personalbezeichnung führt — noch keinen echten Familiennamen.

e) Das älteste Kind des Leonhard Nierstraß wird 1622 in Eschweiler getauft; das paßt sehr gut zu der 1619 stattfindenden Eheschließung. Man darf dann als ziemlich sicher annehmen, daß dem jungen Paar schon 1620 ein ältestes Kind geboren wurde. Desgleichen muß vermutet werden, daß sowohl um 1624/25 als auch um 1629 je ein weiteres Kind zur Welt kam; denn damit entstünde erst in der Kinderreihe jener immer wieder zu beobachtende „regelmäßige Geburtenrhythmus“. Eines dieser drei im Taufbuch der reform. Gemeinde Eschweiler fehlenden Kinder muß die „Schwester Katharina Nierstras“ gewesen sein, die 1679 bei dem jüngsten Kind zweiter Ehe des Abraham Nierstraß (IIc, 11) Pate steht. Sie blieb vielleicht unverheiratet; denn sie tritt hier unter ihrem Mädchennamen auf und nicht (wie die „Schwester Catharina Hönen“ der Maria Blanche bei dem gleichen Täufling) unter dem Familiennamen eines (zu vermutenden) Ehemannes von ihr.

f) Schließlich als letztes und wichtigstes Glied in der Beweiskette: Die 1619 heiratende Frau trägt tatsächlich den Vornamen Maria, den wir vorhin schon (vgl. Abschnitt 6, Absatz 1) als mutmaßlichen Vornamen der Mutter von Johannes, Isaak und Abraham Nierstraß erschlossen hatten. Denn nun beweisen uns auch die Namen der Kinder des Abraham Nierstraß (IIc), daß dessen Mutter wirklich Maria hieß: Abraham nennt nämlich nicht nur seinen ältesten Sohn nach seinem (Abrahams) Vater Leonhard, sondern gibt auch seiner zweiten Tochter (IIc, 8) als zweiten Vornamen den Leitnamen Maria. Damit darf aber schon heute feststehend agesehen werden, daß das 1619 in Randerath kopulierte Paar die Stammelteren des Geschlechtes Nierstraß in Eschweiler waren. Denn von daher würde sich jetzt auch erklären, wieso Johannes Nierstraß (IIa) dazu kam, seine Frau Catharina Thoren (Thüren) aus Nierstraß zu holen: Er hatte eben durch seinen von dort stammenden Vater verwandtschaftliche Beziehungen dahin und kam infolgendessen natürlich auch öfter nach Nierstraß. Bei diesen Besuchen lernte er dann seine spätere Frau kennen.

8.

Es fragt sich nun noch, ob wir in dem Beinamen „Conen“, den Leonhard Nierstraß 1619 führt, ein echtes Patronym vor uns haben, also den Genitiv des Vornamens seines Vaters, oder ob dieser Beiname nur patronymischen Charakter trägt und etwa schon von Leonhards Vater geführt war. Im ersten Falle müßten wir dann schließen, daß Leonhards Vater „Con“ (Coen, Konrad) geheißen habe. Träfe dies zu, dann würden wir unter den Kindern des Leonhard unbedingt einen Sohn dieses Namens finden. Da jedoch Leonhard zwar mehrere Söhne, aber keinen namens Konrad hat, darf man — bis zum Verweis des Gegenteils — annehmen, daß Leonhards Beiname „Conen“ kein echtes Patronym mehr war. Immerhin wird man mit diesem Beinamen unter Zuhilfenahme von Aktenmaterial des Düsseldorfer Staatsarchivs (etwa der Geilenkirchner Erb- und Gerichtsbücher) auch die Eltern des Leonard und seine weiteren Vorfahren ermitteln können. Leonhard muß nämlich, da er 1619 heiratete, um 1590 etwa geboren sein, seine Frau spätesten um 1600. Welche beiden Söhne Leonhards die entscheidenden Leitnamen trugen, kann einstweilen nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Nur von dem ältesten, 1622 getauften Johannes darf als wahrscheinlich angenommen werden, daß er einen der beiden Leitnamen trug; aber ob dieser auf Leonhards Vater oder Schwiegervater führte, wissen wir nicht. Wohl könnte es später einmal von Wichtigkeit werden, dies zu wissen, wenn sich etwa um 1600 ein Johann Fliegen in Eschweiler oder ein Johann Conen in Nierstraß aktenmäßig nachweisen ließe. „Wilhelm von Nierstraidt“, der (nach frdl. Mitteilung von Dr. jur. O. Merckens, Berlin-Charlottenburg) am 27. 12. 1591 als Landbesitzer zu Hanrath (— Hatterath im Amt Geilenkirchen) genannt wird, dürfte aber höchstwahrscheinlich nicht als möglicher Vater des Leonhard in Frage kommen, weil man sonst unter den Kinder und Nachkommen des Leonhard Nierstraß den Vornamen Wilhelm antreffen müßte.

Transcribed: 2002-09-22